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Herausgabe der Urkunden Kaiser Friedrichs II.

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Der vollständige Urkundentext und die Inneren Merkmale

(dargestellt und erläutert am feierlichen Privileg)

Protokoll

Invocatio

In nomine sancte et individue trinitatis.

Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit.

Verbale Invocatio (lat. invocare, anrufen; hier: „trinitarische“ Invocatio). Anrufung Gottes. Man nimmt an, dass die Invocatio auf ein Wort aus einem Paulusbrief zurückzuführen ist, dass man jede Handlung im Namen Gottes beginnen solle. Nahezu unveränderlicher Formularteil.

Intitulatio

Fridericus secundus divina favente clementia Romanorum imperator semper augustus, Ierusalem et Sicilie rex.

Friedrich II. durch göttliche gewogene Milde Kaiser der Römer, allzeit Erhabener, König von Jerusalem und Sizilien.

Intitulatio mit eingeschalteter Devotions- oder Legitimationsformel: Herrschername mit Ordnungszahl / Devotions- oder Legitimationsformel, die angibt, auf wessen Autorität die Herrschaft zurückgeht (nahezu unveränderlicher Formularteil) / Angabe sämtlicher Herrschertitel.

Kontext

Arenga

Si divine maiestatis intuitu, per quam feliciter imperamus, ecclesiarum saluti et commodo pia provisione consulimus, celsitudinis nostre titulos ampliamus et celestium beneficiorum memores, quibus affluimus, de premio retributionis eterne firmam spem et fiduciam optinemus.

Wenn wir uns eingedenk der göttlichen Majestät, durch welche wir glücklich herrschen, mit frommer Fürsorge um das Heil und Wohlergehen der Kirchen kümmern, erweitern wir den Ruhm unserer (eigenen) Hoheit und haben ‑ eingedenk der himmlischen Wohltaten, mit denen wir reichlich versehen sind ‑ auf den Lohn ewiger Vergeltung unverbrüchliche Hoffnung und Vertrauen.

Arenga: die allgemein gehaltene Formulierung der (oftmals religiösen) Motivation des Herrschers für die Urkundenausstellung (Lohn im Himmel, Verpflichtung des Herrschers gegenüber seinen Untertanen, Vergänglichkeit alles Irdischen usw.). In der älteren Forschung galt dieser Urkundenteil als für die Urkundenforschung wenig ertragreich, da er für den eigentlichen Rechtsinhalt irrelevant ist (was richtig ist). Heute erkennt man den Wert dieses Urkundenteils für die Mentalitäts- bzw. Ideengeschichte der jeweiligen Zeit und sieht ihren Nutzen in Fragen der Institution der Kanzlei bzw. der Notare.

Promulgatio

Eapropter universis imperii nostri fidelibus tam presentibus quam futuris volumus esse notum, quod …

Deshalb wollen wir, das allen Getreuen unseres Reiches, sowohl den jetzigen als auch den zukünftigen, bekannt sei, dass …

Publicatio (Promulgatio) (lat. publicare, veröffentlichen bzw. promulgare, bekannt machen): „Veröffentlichungsformel“. Sie kann in der Formulierung etwas variieren, aber nahezu stets sind die „fideles“ (Getreuen) unmittelbar angesprochen, denen „bekannt gemacht werden soll“, die „wissen sollen“ usw.

Narratio

… Eberhardus venerabilis Salzburgensis archiepiscopus, dilectus princeps noster, coram eminentie nostre presentia constitutus exposuit, quod, cum advocatia possessionum capituli sui in Halle, Pettingen, Saldorf, Kunkev et Svndergvt cum suis pertinentiis vacare ceperit, ne per advocatorum maliciam ecclesie sue capitulum sicut hactenus bonorum suorum dispendium aut iacturam incurreret, iure infeudandi, quod ad eum spectabat, renunciavit, ut eandem advocatiam ipse ac successores sui semper in manibus suis retineant nec ad manum transferant alienam et super eo confici fecit publicum instrumentum. Propter quod nostre celsitudini suplicavit, ut instrumentum donationis huiusmodi capitulo suo indultum et ea, que continentur in ipso, confirmare de nostra gratia dignaremur.

… der verehrenswürdige Salzburger Erzbischof Eberhard, unser geliebter Fürst, in Anwesenheit unserer Hoheit darlegte, dass, weil die Vogtei der Besitzungen seines Kapitels in (Reichen-)Hall, Petting, Saaldorf, Chiemgau und Sondergut mitsamt ihren Besitzungen frei zu werden begonnen hat, er ‑ damit nicht durch Arglist der Vögte das Kapitel seiner Kirche wie bisher Schaden oder Nachteil in seinen Gütern erleide ‑ mit dem Recht der Lehensgewährung, das ihm zustand, diese Vogtei aufkündigte, damit er selbst und seine Nachfolger diese Vogtei selbst immer in ihren Händen halten und sie nicht in fremde Hand übergeben mögen, und in Zusammenhang mit dieser Angelegenheit ließ er ein öffentliches (Notariats-)Instrument erstellen. Aus diesem Grund hat er unsere Hoheit gebeten, dass wir das seinem Kapitel bewilligte Instrument dieser Schenkung und das, was darin beinhaltet ist, aufgrund unserer Gnade zu bestätigen für Wert erachten.

Narratio (lat.: narrare, erzählen): Hier wird „erzählt“, unter welchen Umständen die jeweilige Privilegierung zustande gekommen ist bzw. welche Vorgeschichte zum Rechtsakt geführt hat. Dieser Abschnitt ist individuell formuliert, da ja auch die Umstände für die Privilegierung stets unterschiedlich sind.

Dispositio

Nos igitur attendentes ipsius archiepiscopi gratam et laudabilem fidem et sinceram obsequiorum suorum instantiam, quibus excellentie nostre assidue placere curavit, considerantes etiam ex hoc ecclesie sue utilitates multiplices et profectus, quod super hoc ab eodem archiepiscopo provide factum est, sicut in eisdem litteris inde confectis plenius continetur, de speciali munificentie nostre gratia perpetuo confirmamus.

Wir haben darauf, die willkommene und lobenswerte Treue desselben Erzbischofs und den aufrichtigen Eifer seines Gehorsams beachtend, durch welchen er unserer Exzellenz zu gefallen unermüdlich bemüht gewesen ist, und auch den vielfältigen Nutzen und die Vorteile daraus für seine Kirche bedenkend, mit der Gnade unserer besonderen Wohltätigkeit für alle Zeiten bestätigt, was in dieser Angelegenheit von ebendiesem Erzbischof vorsorglich gemacht worden ist, so wie es in derselben Urkunde, die darüber erstellt worden ist (sc. das o. g. Notariatsinstrument), vollständig beinhaltet ist.

Dispositio: die eigentliche Dokumentation des Rechtsaktes bzw. der Schenkung. Inhaltlich wie rechtlich ist dies der wesentliche Teil der gesamten Urkunde, da in diesem Abschnitt das eigentliche Recht gesetzt wird. Die Formulierung ist, dem Gegenstand entsprechend, oft individuell.

Sanctio

Statuimus igitur et imperiali sanccimus edicto, quatenus amodo nulla persona sit alta vel humilis, ecclesiastica seu mundana, que contra presentem confirmationem nostram ullo unquam tempore venire presumat. Quod qui presumpserit, preter indignationem nostram centum libras auri conponat, medietatem camere nostre, reliquam passis iniuriam soluturus.

Weiter setzen wir fest und verordnen durch kaiserliche Verfügung, dass es von nun an keine Person geben soll, sei es eine hochgestellte oder niedere, eine geistliche oder weltliche, die es wagen sollte, gegen unsere vorliegende Bestätigung zu irgendeiner Zeit vorzugehen. Wer dies aber wagen sollte, soll neben unserer Ungnade hundert Pfund Gold zahlen, die Hälfte davon unserer Kammer, die andere den das Unrecht Erleidenden.

Sanctio: dieser Urkundenabschnitt ist in den meisten Fällen sehr formelhaft gestaltet und gebietet zunächst allen, die herrscherliche Verfügung nicht zu missachten. Zuwiderhandelnden wird eine Strafe angekündigt (in aller Regel eine Geldstrafe, wobei die eine Hälfte dem Fiskus, die andere dem Geschädigten auszuzahlen ist).

Corroboratio

Ad huius itaque nostre confirmationis memoriam et ut hec omnia rata semper et illibata permaneant, presens inde privilegium fieri fecimus et sigillo nostro iussimus communiri.

Zur Erinnerung deshalb an diese unsere Schenkung und damit dies alles für alle Zeiten gültig und unverbrüchlich bleiben möge, haben wir veranlasst, dass das vorliegende Privileg angefertigt werde, und befohlen, es mit unserem Siegel zu bekräftigen.

Corroboratio (lat. robur, Kraft): ein sehr starr formulierter Urkundenteil, in welchem die Beglaubigungsmittel für die Rechtsgültigkeit der Urkunde bzw. Verfügung genannt werden (in diesem Fall die Ankündigung des Schreibbefehls und der Besiegelung, die wichtigste Beglaubigung von Urkunden während des gesamten Mittelalters).

Zeugenreihe

Testes sunt huius rei: Sifridus Ratisponensis episcopus, Karolus Secowensis episcopus, Liupoldus dux Austrie et Stirie, Bernhardus Carinthie, Otto Meranie duces, Rapoto comes palatinus Bauuarie, Heinricus frater eius comes de Ortenburc, Chuno de Weruen, Gerhohus de Salzburc, Ulricus et alii quamplures.

Zeugen dieses Aktes sind: Siegfried Bischof von Regensburg, Karl Bischof von Seckau, Leopold Herzog von Österreich und Steier, die Herzöge Bernhard von Kärnten und Otto von Meranien, Rapoto Pfalzgraf von Bayern, sein Bruder Heinrich Graf von Ortenburg, Kuno von Werfen, Gerhoh von Salzburg, Ulrich und viele weitere.

Zeugenreihe: in hierarchischer Ordnung (zuerst die geistlichen, dann die weltlichen Zeugen) werden all diejenigen genannt, die dem Rechtsakt (oder seiner Verschriftlichung) beigewohnt haben. Dieser Teil ist für die Forschung zu den Personen, welche wann im persönlichen Umfeld des Kaisers anwesend waren, von größter Bedeutung.

Eschatokoll

Signumzeile

Signum domini Friderici secundi dei gratia Romanorum (M.) imperatoris semper augusti, Iherusalem et Sicilie regis.

Zeichen des Herrn Friedrich des Zweiten, von Gottes Gnade Kaiser der Römer, allzeit Erhabener, König von Jerusalem und Sizilien.

Signumzeile (lat. signum, Zeichen): in früheren Zeiten (nicht mehr im 13. Jahrhundert) hat der Herrscher im Herrschermonogramm (M.) einen kleinen Strich (der sog. Vollziehungsstrich) selbst gezogen, gewissermaßen als Zeichen seiner Eigenbeteiligung und seiner persönlichen Billigung des Rechtsaktes.

Datatio

Acta sunt hec apud Sanctum Germanum, anno domini M°CC°XXX°, mense augusti, indictione IIIa, imperante domino nostro Friderico dei gratia invictissimo Romanorum imperatore semper augusto, Ierusalem et Sicilie rege, imperii eius anno X°, regni Ierusalem V° et Sicilie anno XXX°III°;

Geschehen ist dies bei San Germano, im Jahr des Herrn 1230, im Monat August, in der dritten Indiktion, während der kaiserlichen Herrschaft unseres Herrn Friedrich, des durch Gottes Gnade unbesiegbarsten Kaisers der Römer, allzeit Erhabenen, des Königs von Jerusalem und Sizilien, im zehnten Jahr seiner Kaiserherrschaft, seines Königtums in Jerusalem im fünften, in Sizilien im dreiunddreißigsten Jahr.

Datatio: angegeben wird, wann und wo der Rechtsakt vollzogen bzw. verschriftlicht worden ist. Im Privileg wird in der Regel angegeben: Inkarnationsjahr (unsere heutige Jahreszählung), Monat, ggf. Monatstag, Indiktion (ein spätantiker Zyklus, der sich alle 15 Jahre wiederholt) sowie die Herrscherjahre als Kaiser bzw. König.

Apprecatio

feliciter amen.

„glücklich“ amen.

Apprecatio: Segenswunsch.